15. Etappe: Corcubion - Finisterre
Größere Kartenansicht
Dienstag, den 25. Mai 2010 - 17 Kilometer
Nach einer herrlichen Nacht holt mich der Blick durch das Fenster in die Wirklichkeit zurück. Es regnet und der Himmel ist verhangen. Wieder bläst der Wind mit starken Böen ins Gesicht. Am liebsten würde ich mich wieder unter die Decke werfen und den Tag verschlafen. Mein Zeitplan lässt aber keinen Aus Tag zu, so dass ich mich widerwillig anziehe und mein Gepäck bereit mache. Es fehlen jetzt nur noch wenige Kilometer bis zum ersehnten Ziel, Cabo Finisterre. Und doch - oder vielleicht gerade deshalb - scheinen mir diese Kilometer endlos.
Ich kann wirklich von Glück reden, habe ich doch während der ganzen Reise keine Beschwerden oder Pannen gehabt. Ich war stets in Topform und hatte nicht das kleinste Wehwehchen zu beklagen. Wenn man so sieht, was auf dem Camino alles gelitten wird, dann ist das nicht selbstverständlich. Im Nachhinein hat es sich aber auch gelohnt, dass ich genug trainiert habe und mein Material sorgfältig ausgewählt und geprüft habe.
Um 12:53 bin ich in Finisterre angekommen. Wie immer, wenn ich irgendwo angekommen bin, habe ich mir zuerst ein kleines Cerveza genehmigt. Nachdem ich aus der Bar komme, glaube ich meinen Augen nicht zu trauen. Wer steht denn unten an der Pier, wie immer von einer Menschentraube umringt? Der Kurt mit seinem Traktor. Das Wiedersehen wird natürlich mit einem Bier in seiner Karre gefeiert. Dieser kurlige Kurt, der den Jakobsweg schon so oft gemacht hat, ist mir irgendwie ans Herz gewachsen. Er ist sozusagen zum Berufspilger geworden und geht keiner geregelten Arbeit mehr nach.
Vom Dorf Finisterre zum Kap sind es noch gut 3 Kilometer, die aber steil bergauf. Vom Dorf bis zum Leuchtturm sind 123 Höhenmeter zu überwinden. Mir wird jetzt klar, dass es auch in Finisterre kein bombastisches Ende nehmen wird. Ich bin innerlich ruhig und gesammelt und freue mich auf meine kleine Abschiedszeremonie. So wie das schon unzählige Pilger vor mir gemacht haben, werde ich kleine Zettelchen verbrennen, die ich von Freunden und Familienmitgliedern mitgenommen habe. Darauf stehen Wünsche und Hoffnungen, die sich hier am Ende der Welt erfüllen sollen.
Und dann sehe ich ihn in der Ferne, den Leuchtturm auf dem Kap! Um 14.35 bin ich am Ende der Welt. Die letzten drei Kilometer hat sich die Sonne vom Wolkenumhang frei gemacht und mir Geleit offeriert. Der Wind bläst mich fast vom Fahrrad und lässt mich nochmals die ganze Kraft der Elemente spüren. Nachdem ich beim Leuchtturm angekommen bin, verbrenne ich die mitgebrachten Zettel und meine Velohandschuhe als Zeichen dafür, dass meine Hände wieder frei sind, etwas neues anzupacken. Ich sitze lange auf dem Felsen und schaue ins Meer hinaus. Zu welchen Ufern werde ich wohl aufbrechen?
Vor mir steht ein junger Mann und singt in einer mir unverständlichen Sprache, barfuss; er hat seine Schuhe verbrannt.
ENDE oder ANFAG
Link zur Fotogalerie