10. Etappe: Astorga - Villafranca del Bierzo
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Donnerstag 20. Mai 2010 - 81 Kilometer
6:17
Kater nach der gestrigen Sause! Die meisten Pilger sind schon los gezogen. Ich tue mich richtig schwer, meine sieben Sachen zusammen zu suchen und die Packung zu erstellen.
8:07
Es ist einfach unglaublich schön, in diesen Morgenstunden durch das Hochland zu fahren, diese Weite, diese Klarheit. Man wird süchtig nach diesem Camino! Vorher habe ich den Hans, den Totengräber und später die Franzosen überholt. Diese Menschen wachsen einem so schnell ans Herz. Wofür man im richtigen Leben oft Jahre braucht, kann hier in wenigen Stunden, ja oft sogar in einem einzigen Augenblick geschehen. Ich frage mich, wie ich ein Stück dieser Offenheit ins wirkliche Leben übertragen kann?
11:00
Bald stehe ich auf dem höchsten Punkt der Reise, wird das auch der Höhepunkt? Kurz vor der Passhöhe treffe ich auf den Kurt, der friedlich mit seinem Traktor den Berg hinauftuckert. Wir machen eine kleine Pause und geniessen die herrliche Aussicht. Es ist Tradition, dass man auf der Passhöhe einen Stein ablegt, den man mitgenommen hat. Ich habe zwar keinen Stein von zu Hause mitgenommen, unterwegs jedoch irgendwann einen aufgelesen und eingepackt. Den ganzen langen Aufstieg habe ich mir überlegt, für wen oder welche Sache ich den Stein ablegen sollte. Kurz vor der Passhöhe war es mir dann glasklar! Natürlich darf ich über das Ergebnis hier nicht berichten, da sonst die Magie nicht wirkt!
Und dann ist es endlich soweit, ich bin auf der Passhöhe angekommen. So nahe werde ich dem Himmel auf dieser Reise nie mehr sein. Da relativ viele Touristen auf dem Berg sind, ziehe ich mich etwas zurück und geniesse für mich diesen Höhepunkt. Erst nach etwa einer Stunde lege ich die Steine unter das Kreuz, was mich unglaublich erleichtert. Und dann treffen die beiden deutschen Radpilger ein, die ich in Leon getroffen habe. Der grössere, mit den blauen Augen heisst Simon. Auch er scheint aufgewühlt zu sein und sagt mehr durch sein Schweigen als durch seine Worte.
Und jetzt freue ich mich auf eine rasante Talfahrt nach Ponferrada. So richtig in Fahrt komme ich allerdings nicht, da es teilweise sehr steil ist und man mit dem ganzen Gepäck einen doch beachtlichen Bremsweg hat. Irgendwie habe ich die Talfart aber gut gemeistert. Ganz am Ende der Abfahrt bin ich dann wieder auf Simon und Marco gestossen. Wir wollen uns ein Bier genehmigen. Bei dem einen bleibt es leider nicht, so dass ich nur noch unter aller grösster Mühe mein Fahrrad auf Kurs halten kann. Ich stelle mein GPS ein und folge diesem kleinen, willigen Helfer ohne genau zu wissen, wo ich mich befinde. Dank der brütenden Hitze sind die Cervezas aber schnell verdunstet und ich kann wieder klar denken.
Trotzdem mache ich in Ponferada keinen grösseren Zwischenhalt, obwohl es da eine alte Templerburg zu besichtigen gäbe. Ich fahre bis Villafranca del Bierzo durch. Da ich zu müde bin für eine grosse Suche nach einer Unterkunft, steige ich in der erst besten Herberge, gleich neben der Iglesia de Santiago ab. Da die Unterkunft schon ziemlich voll ist, wird mir irgendein Notzimmer unter dem Dach zugeteilt, was bei mir wirklich keine Glückshormone auslöst. Nach dem "Zimmerbezug" und der Dusche mache ich mich daher sofort auf den Weg in das Städtchen. Um den Dorfplatz herum gibt es einige Restaurants, wo ich mich verpflege und die letzten Sonnenstrahlen geniesse.