11. Etappe: Villafranca del Bierzo - Sarria


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Freitag, 21. Mai 2010 - 82.5 Kilometer

8:00
Ich bin reisebereit. Was bringt mir der heutige Tag? Sicherlich werde ich heute die grösste physische Herausforderung erleben. Gleich zwei grosse Pässe gilt es zu überwinden! Ich habe heute das Gefühl, dass mein alchemistischer Ofen ausgebrannt ist. Ich fühle mich seltsam emotionslos und kann noch nicht deuten, ob dies positiv zu bewerten ist oder nicht.

Der Aufstieg zum O Cebreiro ist lang, steil und hart. Ich bin auch seelisch zum Zerreissen angespannt. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich gestern den Höhepunkt der Pilgerreise erlebt habe und ich jetzt gar nicht mehr so genau weiss, was mich vorantreibt. In der Ortschaft Pedrafita do Cebreiro , 8 Kilometer vor der Passhöhe, mache ich nochmals Pause. Meine Stimmung verdüstert sich weiter. Im Dorf haben die Kirchenglocken gerade die zwölfte Stunde geschlagen. Das scheint mir wie ein schlechtes Omen zu sein. Obwohl sich mein äusserer Pilger auf den höchsten Gipfeln der Pilgerschaft befindet, geht mein innerer Pilger durch die dunkle Nacht der Seele.

12:56
Ich bin auf dem O Cebreiro angekommen. Ich habe heute nicht einen meiner bisherigen Weggefährten getroffen, das ist mir noch nie passiert. Gerade heute, wo ich einen Austausch so dringend nötig hätte! So sitze ich alleine auf der Passhöhe, esse etwas, einfach weil ich weiss, dass ich die Energie für die nächste Passhöhe noch brauche.

14:08
Es ist geschafft. Ich bin auf dem Alto do Poio und endlich zur Ruhe gekommen. Zum Glück gibt es hier ein kleines Bergrestaurant, wo auch die Fusspilger vorbeikommen. Ich spreche zwar mit niemandem, habe aber doch das Gefühl, unter Meinesgleichen zu sein.

18:03
Ich bin in Sarria. Diese Abfahrt vom Alto do Poio habe ich in vollen Zügen genossen. Jetzt suche ich eine Herberge in Sarria, werde aber irgendwie nicht fündig. So beschliesse ich, ein Hotelzimmer zu nehmen. Ganz am Ende der Stadt bekomme ich ein schönes Zimmer in einem fast neuen Hotel. Nach einer ausgiebigen Dusche mache ich mich auf den Weg ins Monasterio de Sta. Maria Magdalena. Ich hatte schon immer ein Herz für Magdalena, diese vom Klerus so verstossene und missverstandene biblische Figur. Wie viel menschlicher und wärmer ist doch Maria Magdalena, als jene entrückte Maria, die uns die Kirche als Idol vorsetzen möchte.

Die Kirche ist finster und kalt, während dem der Innenhof des Klosters die Wärme und das Licht der Umgebung aufnimmt. Ich kann hier nicht allzu lange bleiben, weil sich sonst meine Stimmung wieder verdüstert. Ich gehe zu Fuss durch die Altstadt von Sarria und fühle mich ins Mittelalter versetzt. Wenn es so was wie Reinkarnation gibt, dann war ich bestimmt während jener Epoche auf der Erde. Ich fühle mich so stark mit jener Zeit verbunden, dass ich regelmässig in einen Sog hineingerate, wenn ich mich zu lange in solcher Umgebung aufhalte.

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